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Bürgergespräche zum Thema Kreisfreiheit
Ende Februar 2018 organisierte die Stadtverwaltung drei Bürgergespräche zur möglichen Kreisfreiheit. Die Veranstaltungen dienten der umfassenden Information und dem Austausch. Viele Neu-Ulmerinnen und Neu-Ulmer nahmen an den Diskussionsabenden teil, stellten Fragen und tauschten sich untereinander und mit Vertretern der Stadtverwaltung zu verschiedenen Belangen rund um die mögliche Kreisfreiheit aus.
Die Gespräche wurden von externen Moderatoren begleitet. Im Nachfolgenden finden Sie eine Dokumentation der von uns beauftragten Agentur Füller und Krüger GmbH.
Termine:
- 26.02.2018, 17.30–20.30 Uhr, Seehalle Pfuhl
- 27.02.2018, 17.30–20.30 Uhr, Seehalle Pfuhl
- 28.02.2018, 17.30–20.30 Uhr, Seehalle Pfuhl
Die Termine haben inzwischen stattgefunden. Wir bedanken uns bei allen Bürgerinnen und Bürgern für Ihre Teilnahme!
Themen:
Es gibt viele wichtige Themen im Zusammenhang mit der Kreisfreiheit Neu-Ulms. Deshalb gab es bei den Bürgergesprächen mehrere Thementische, an denen die Teilnehmer diskutieren und mit Expertinnen und Experten ins Gespräch kommen konnten. Die Themenfelder konnten die Bürger im Vorfeld selbst wählen. Entsprechend der Rückmeldungen wurden für die Bürgergespräche folgende Themenbereiche festgelegt:
- Finanzielle Auswirkungen
- Schule und Bildung
- Soziales
- Jugend und Senioren
- Mobilität
- Struktur, Personal, Gesundheit
Dokumentation: Zusammenfassung der Bürgergespräche zum Thema Kreisfreiheit
Gestaltungsspielraum für Veränderungen im Sinne der Bürger nutzen
Insgesamt etwa 250 Bürgerinnen und Bürger beteiligten sich an drei Abenden an den Bürgergesprächen zum Thema Kreisfreiheit, zu denen die Stadt Neu-Ulm eingeladen hatte. Dass es am Ende weniger Teilnehmer waren als sich angemeldet hatten, mag auch an der bissigen Kälte und diversen Erkrankungen gelegen haben. Den Gruppendiskussionen tat das aber keinen Abbruch. Im Gegenteil, sie waren allesamt sehr intensiv, konzentriert, bisweilen auch emotional, aber in keinem einzigen Fall unsachlich oder gar beleidigend. Vielmehr zeigte sich, dass nicht nur auf Seiten der Stadt die notwendigen Kompetenzen vorhanden sind, um den angestrebten historischen Schritt zu gehen, sondern auch auf Seiten der Bürger die Bereitschaft sehr ausgeprägt ist, sich dabei mit den eigenen Kompetenzen, Interessen und Hinweisen einzubringen.
Aufgrund der Fülle der Hinweise aus insgesamt 36 Thementisch-Diskussionsrunden kann es hier nur um einen Überblick, nicht aber um Vollständigkeit gehen. Konkrete Fragen, die mit einem Absender versehen waren, werden von der Stadtverwaltung separat bearbeitet.
Oberbürgermeister Gerold Noerenberg: „Es war gut, dass wir diesen Weg des offenen Dialogs gegangen sind. Es wurden Missverständnisse und Befürchtungen abgebaut, an der einen oder anderen Stelle gibt es auch noch Informationsbedarf. Aber in unserer Linie sehen wir uns bestätigt.“
Der Oberbürgermeister hatte bei den Gesprächen eher im Hintergrund agiert, er hörte den Bürgerinnen und Bürgern zu, mischte sich aber nur selten ein. Viele Teilnehmer äußerten sich grundsätzlich positiv über die Möglichkeit, in dieser Art intensiv mit der Stadtverwaltung über Zukunftsfragen ins Gespräch zu kommen.
Da alle städtischen (aber auch kreislichen) Aktivitäten eine finanzielle Komponente haben, waren auch die Diskussionen von einem breiten Themenspektrum gekennzeichnet. Es gab ebenso zustimmende wie skeptisch-ablehnende Meinungsäußerungen. Im Wesentlichen formulierten die Teilnehmer jedoch Fragen und baten um Informationen. Deutlich wurde dabei, dass es bei vielen Bürgern keinen klaren Kenntnisstand darüber gibt, wer (Stadt oder Landkreis) eigentlich heute für welche Aufgabe zuständig ist. Durch die ruhige und geduldige Beantwortung dieser Fragen durch Stadtkämmerer Berthold Stier konnten viele Unklarheiten beseitigt und einer ganzen Reihe Bürgerinnen und Bürgern die Skepsis genommen werden.
Wiederholt genannte inhaltliche Aspekte waren:
Wie werden die Vermögenswerte festgelegt und übertragen?
- Genau genommen lässt sich diese Frage erst nach den notwendigen Verhandlungen zwischen Stadt und Landkreis beantworten. Denn die Antwort ist ein Verhandlungsergebnis.
- Wichtig ist die Feststellung, dass es sich tatsächlich um eine Übertragung handelt und nicht um eine Veräußerung wie auf dem freien Markt.
- Es wurde deutlich, dass es auch nicht sein kann, dass die Stadt für die Übertragung von Vermögen (beispielsweise Schulen) große Summen bezahlt. Als die Stadt 1972 in den Landkreis eingemeindet wurde, floss bei der Übertragung auf den Landkreis auch kein Geld. Und bei den Investitionen, die zwischenzeitlich getätigt wurden, muss berücksichtigt werden, dass die Mittel dafür auch städtische waren.
- Der 1972 geschlossene Vertrag hat Gültigkeit über 50 Jahre, d.h. bis 2022. Bis dahin müssen bei einer Auskreisung Neu-Ulms alle Vermögenswerte zu den gleichen Bedingungen wie seinerzeit rückübertragen werden.
Pro und Contra zum kommunalen Verbund:
- Eine These lautete: Wenn der Landkreis für viele Gemeinden Aufgaben übernimmt und koordiniert, kann er das effizient und kostengünstig tun. Würde indes jede Gemeinde das selbst organisieren, wären die Kosten höher. Doch an diesem Punkt gab es auch aus der Bürgerschaft eine Gegenrede. Diese zielte darauf ab, dass Verbünde, wenn sie zu groß werden oder sich die einzelnen Teile zu unterschiedlich entwickeln, einzelne Teile wieder aus dem Verbund herausgelöst werden. Durch die Größe der Stadt Neu-Ulm (und die Orientierung auf die Partnerschaft mit Ulm) sei es für Stadt und Landkreis besser, jeweils eigenständig entsprechend ihrer sehr unterschiedlichen Bedürfnisse zu entscheiden.
- Aspekte der Diskussion zu dieser These waren einerseits die Vermeidung von Doppelstrukturen und andererseits eine größtmögliche Bürgernähe. Beides bleibt eine Frage der Betrachtung. Doppelstrukturen und Schnittstellen gibt es heute (z.B. Schulsozialarbeit, ÖPNV...). Diese werden abgebaut. Andere werden durch die Übernahme von Aufgaben in die eigene Verantwortung aufgebaut. Aus Sicht der Stadt würde sich die Organisation der Aufgabenerfüllung für die Stadt erleichtern.
Zusätzliche Aufgaben für die Stadt
- Vorgetragen wurde auch, dass mit den zusätzlichen Aufgaben auch der finanzielle Aufwand der Stadt steigen werde. Diese Aussage wurde dahingehend relativiert, dass die Stadt auch bisher schon über die Kreisumlage die Aufgaben des Landkreises für die Stadt bezahlt. Unter dem Strich hielten sich nach bisherigen Berechnungen zusätzliche und wegfallende Aufwände in etwa die Waage.
- Bei diesem Punkt hakte dann wieder ein Bürger ein und fragte, warum der ganze Aufwand überhaupt betrieben werde, wenn es sich zum Schluss um eine „Nullrunde“ handelt. Diesem Argument wurde der Zugewinn an Gestaltungsspielraum entgegengestellt.
Bei der Auskreisung den Landkreis berücksichtigen:
- Der Weg zu einer größeren Selbständigkeit der Stadt wird von Einigen als Ent-Solidarisierung beschrieben. Von „Rosinenpickerei“ war die Rede.
- Als Beispiel wird die steigende Pro-Kopf-Verschuldung im Landkreis angeführt. Diese aber sei nur ein mathematischer Effekt. Der absolute Schuldenstand würde ja nicht steigen, sondern ohne die Neu-Ulmer würde einzig die Zahl der Einwohner des Landkreises sinken. Für die Stadt Neu-Ulm blieben bei einer etwaigen Kreisfreiheit hingegen Schuldenstand und Einwohnerzahl gleich und damit auch die Pro-Kopf-Verschuldung.
- Als weiteres Beispiel wird die Tatsache genannt, dass das große städtische Industriegebiet von vielen Pendlern lebe, die im Landkreis wohnen. Diese Dienstleistung müsse der Landkreis weiter erbringen, auch wenn die Stadt allein von den Steuereinnahmen des Industriegebietes profitiert. Entgegnet wurde, dass sich der Landkreis unabhängig von Eingemeindung oder Kreisfreiheit so stark entwickelt wie die dazugehörigen oder angrenzenden Kommunen. Die Stadt Neu-Ulm, mehr noch die „Doppelstadt“ Ulm, bleibe dem Landkreis als Motor erhalten.
- Hinzu kommt, dass der Freistaat Bayern für seine abschließende Entscheidung prüfen wird, ob sowohl Stadt als auch Landkreis nach einer etwaigen Auskreisung Neu-Ulms jeweils einzeln überlebens- und entwicklungsfähig bleiben werden. Fällt diese Prüfung negativ aus, werde es keine Zustimmung zum Antrag auf Kreisfreiheit geben. Aus diesem Grund gebe es seitens Neu-Ulms eine große Bereitschaft, die Verhandlungen mit dem Landkreis erfolgsorientiert zu führen.
- Ein Bürger zog an dieser Stelle für sich das Fazit: Wenn sich an der Summe der Aufgaben nichts ändere und der Schnitt – also die Neuverteilung dieser Aufgaben – ordentlich ausgehandelt wird, könne er sich die Kreisfreiheit durchaus vorstellen.
Daneben kam noch eine Reihe von Einzelaspekten zur Sprache:
- Gefragt wurde nach einer Regresspflicht gegenüber dem Landkreis. Diese Frage wurde verneint.
- Unsicherheit in der Bürgerschaft bestand über (heutige und) künftige Zuständigkeiten beispielsweise für Polizei, Feuerwehr und Rettungsdienste, aber auch für das Müllheizkraftwerk. Die Abfallentsorgung (z.B. Bauschutt) wurde als besondere Herausforderung beschrieben. Dafür müsse ein künftiges Abfallentsorgungskonzept einer kreisfreien Stadt Neu-Ulm klare Antworten geben.
- Gefragt wurde auch nach der Entwicklung von Gebühren (z.B. Abfall), Steuern (z.B. Grunderwerb) und Preisen (z.B. Immobilien). Auch dafür kann es zum jetzigen Zeitpunkt bestenfalls Prognosen aber keine verbindlichen Aussagen geben, hieß es. Es gibt aber keinen Grund für die Annahme, dass durch den Schritt zur Kreisfreiheit neue Belastungen für den Bürger entstehen.
- Interesse bestand auch an der künftigen Bezuschussung von Vereinen. Seitens der Stadt sei bereits festgelegt, dass Zuschüsse für städtische Vereine, die bislang vom Landkreis kommen, im Falle der Kreisfreiheit von der Stadt weiter finanziert werden.
- Ein Bürger fragte nach einem Referenzfall einer Stadt, die kreisfrei geworden ist, für eine bessere Nachvollziehbarkeit der Prozesse. Der Schritt Neu-Ulms ist allerdings einmalig in Bayern. Und Vergleiche mit anderen Bundesländern helfen nicht, da sich die entsprechenden Landesrechte unterscheiden.
- Die Teilnehmer interessierten sich zudem für den beabsichtigten Zeitplan bis zur Kreisfreiheit, für die besondere Situation der Krankenhäuser und für die Personalentwicklung bzw. den Personalaufwand, der aus der Aufgabenneuverteilung resultiert. Ganz praktisch wurde in dem Zusammenhang auch danach gefragt, was mit dem Landratsamt im Stadtgebiet Neu-Ulms werde und ob seitens der Stadt für die neu übertragenen Aufgaben genug Verwaltungsarbeitsplätze zur Verfügung stehen.
- Gefragt wurde auch nach dem Fortgang der Wirtschaftsförderung, beispielsweise auch für Kleinunternehmer. Hier wurde festgestellt, dass die Wirtschaftsförderung schon heute eine Domäne der Stadt sei und sich folglich durch den Schritt in die Kreisfreiheit nichts ändere.
- Als weiteres grundsätzliches Problem wurde benannt, dass die Einbindung der Bürger zwar schön und gut, aber auch zwingend unverbindlich ist. Denn die letztendliche Entscheidung darüber, ob Neu-Ulm kreisfrei wird, liegt bei der bayerischen Staatsregierung. Hier signalisierte Berthold Stier, dass die Stadt vorab in München nachgefragt habe und die Zeichen für eine wohlwollende Entscheidung gut stünden.
- Gefragt wurde zudem danach, wie denn der Landkreis die Sache bewertet. Das lässt sich nicht seriös durch Vertreter Stadt beantworten. Die Zahlenbasis auf der gerechnet wird, sei aber mit dem Landkreis abgestimmt.
Fazit: Die Stadt hat es bei ihrem Werben für die Kreisfreiheit mit einem besonderen Phänomen zu tun. Es gibt in der Bürgerschaft offenbar keinen großen Veränderungsbedarf. Der Grundeindruck ist, dass Vieles in der gegenwärtigen Konstellation gut läuft. Dabei wird jedoch übersehen, dass diese Zufriedenheit unter anderem daran liegt, dass die Stadt schon heute zugunsten der Bürger der Stadt Leistungen trägt, für die der Kreis verantwortlich ist. Einmal mehr hat sich mit den Bürgergesprächen bewiesen, dass das persönliche Gespräch ein Kommunikationskanal mit besonderem Wert ist. Auch wenn viele der gewünschten Informationen auf der Stadtseite im Internet verfügbar sind, nehmen viele Bürgerinnen und Bürger diese Informationen erst im Gespräch wahr. Durch die Möglichkeit des Argumentierens, des Nachhakens und des gemeinsamen Abwägens werden diese Informationen eingeordnet.
Da sich viele beim Thema „Finanzielle Auswirkungen“ genannten Aspekte auch in anderen Themenfeldern wiederfinden, können diese im Folgenden verkürzt behandelt werden.
Vertreter der Stadt: Berthold Stier
Moderator: Markus Füller
Das Themenfeld „Mobilität“ gehörte zu den am meisten nachgefragten und am besten besuchten Thementischen. An drei Tagen wurde in jeweils zwei Runden diskutiert. Es hatten somit ca. 120 Bürgerinnen und Bürger Gelegenheit, sich zu diesem Thema zu Wort zu melden – und sie machten rege davon Gebrauch.
Wiederholt genannte inhaltliche Aspekte waren:
- Wäre mit der Kreisfreiheit ein kostengünstigerer oder gar kostenloser Nahverkehr möglich? Darauf wurde erwidert, dass Nahverkehr immer Geld kostet, aber eine kreisfreie Stadt eigenständiger darüber entscheiden könnte.
- Von einzelnen Teilnehmern wurde kritisiert, dass die Qualität der Busse niedrig sei (Sauberkeit, Service, Freundlichkeit der Busfahrer) und auch die Quantität zu wünschen übrigließe (insbesondere abends). Dem entgegneten andere Bürger, dass der Zustand der Busse immer auch vom Benehmen der Fahrgäste abhängen würde. Wieder andere Bürger halten das Angebot für ausreichend.
- Wiederholt gefordert wurde eine Verbesserung der Fahrradwege. Auch hierzu gab es jedoch die Gegenmeinung, dass ausreichend Radwege vorhanden wären.
- Die Überlastung der Stadt durch immer mehr Autos wurde ebenfalls immer wieder als Missstand benannt, verbunden mit fehlenden Parkplätzen. Erwidert wurde darauf, dass es gerade deshalb besser sei, den innerstädtischen Nahverkehr auch in städtischer Verantwortung als kreisfreie Stadt zu organisieren.
- Die Forderung nach einem Konzept für den ÖPNV stand wiederholt im Raum. Ein solches Konzept wird mit Blick auf die verschiedenen Interessen erarbeitet. Es sollte nach Meinungen einiger Teilnehmer nicht nur den Bus berücksichtigen.
- Eine Befürchtung, dass für den ÖPNV im Landkreis Nachteile entstünden, konnte mit dem Hinweis begegnet werden, dass der Landkreis auch künftig seine Interessen hinsichtlich ÖPNV in seinem Gebiet einbringen werde.
- In diese Richtung ging auch die Bitte, dass künftig neben dem innerstädtischen Verkehr auch der Verkehr ins Umland gesichert sein müsse, insbesondere für ältere Bürger. Auch dieser Befürchtung wurde mit dem Hinweis begegnet, dass neben einem städtischen ÖPNV-System selbstverständlich der Verkehr im Landkreis sichergestellt sei, auch bei einer Kreisfreiheit der Stadt.
- Eine Reihe von Fragen kam zur (künftigen) Finanzierung des ÖPNV, hierzu mehr in der Rubrik „Finanzielle Auswirkungen“
- Es wurde offenbar, dass wenig darüber bekannt ist, wie der ÖPNV heute zwischen Stadt und Landkreis geregelt ist.
- Insbesondere wurde darauf abgehoben, dass die Stadt ja auch heute schon im Kreistag auf den ÖPNV Einfluss nehmen könne. Das ist zwar richtig, aber erstens hat die Stadt beim ÖPNV andere Interessen als der Landkreis und zweitens kann die Stadt im Zweifel bei Einzelaspekten leicht überstimmt werden.
Fazit: Das Thema Mobilität spielt für die Bürger Neu-Ulms eine besondere Rolle. Das hat mit der zunehmenden Belastung durch Autos zu tun, aber auch mit der demografischen Entwicklung. Letztlich muss ein Mobilitätskonzept nicht nur überregionale Entwicklungen berücksichtigen (Fahrverbote, E-Mobility etc.). sondern auch Schnittstellen zwischen den Fortbewegungsarten (Rad, Auto, Bus, Regionalverkehr, Bahn). Hier bestehen durchaus Herausforderungen, die die Stadt mit mehr Gestaltungsspielraum offensiv anpacken könnte. Die auf der Website der Stadt vorhandenen Informationen werden offenbar nur zögerlich genutzt.
Vertreter der Stadt: Jörg Oberle
Moderator: Marten Hayen
Anders als den Rückmeldungen der Bürger auf die Veranstaltungsankündigung zu entnehmen war, war das Interesse an diesem Bereich eher gering. Insgesamt nutzten ca. 40 Teilnehmer in sechs Gesprächsrunden die Möglichkeit, darüber ins Gespräch zu kommen. Es wurde deutlich, dass nur den wenigsten Neu-Ulmern bekannt ist, dass die Zuständigkeit der Stadt im Bildungsbereich bislang arg begrenzt ist. Ein ganzheitliches Bildungskonzept, dass allgemein als dringend erforderlich erachtet wird, kann im heutigen Zustand der Kreisangehörigkeit gar nicht greifen – das soll sich ändern.
Wiederholt genannte inhaltliche Aspekte waren:
- Wie wirkt sich die Kreisfreiheit finanziell und investiv auf den Schulbereich aus, war eine häufig gestellte Frage. Hier lautete die klare Antwort, dass sich mit der Übernahme der Trägerschaft durch die Stadt für Schüler und Eltern zunächst wenig ändert, außer dass damit die Stadt selbst über die Ausstattung der kommunalen Schulen entscheiden könnte. Anders als bisher läge die Gesamtverantwortung somit in einer Hand.
- Das gilt auch für die Ausstattung der Schulen mit Informationstechnik, Hardware und Software. Nicht in der Hand der Stadt liegen hingegen die dafür notwendigen Kompetenzen der Lehrer – und zwar völlig unabhängig von der Kreisfreiheit. Hier sind vor allem Weiterbildungsangebote gefragt.
- Eine Idee war, stärker auf „Verbindungslehrer“ zwischen den Schularten zu setzen.
- Der bemängelte Lehrermangel stellt zwar in der Tat ein Problem dar, er liegt allerdings im Verantwortungsbereich der Länder.
- Die Frage, ob die Qualität der schulischen Bildung erhalten bleibt, wurde mit einem klaren Ja beantwortet. Es müsse vielmehr darum gehen, durch eine schulisches Gesamtkonzept Verbesserungen zu erreichen. Die Zuständigkeit der Stadt läge jedoch ohnehin stärker im schulbegleitenden Bereich (z.B. Schulsozialarbeit etc.)
- Es wurde ausdrücklich begrüßt, dass es solche Dialogveranstaltungen zu wichtigen Themen der Stadt gibt.
- Die Frage nach der künftigen Förderung der Vereine (kam auch an anderen Thementischen) konnte mit dem Hinweis beantwortet werden, dass mit der Zuständigkeit auch die Förderung vom Landkreis zu Stadt wechselt.
- Eine Forderung wurde – unabhängig von der Kreisfreiheit – erneuert: die umfassende Digitalisierung im Bildungsbereich.
- Dasselbe gilt für die Forderung nach einer Absenkung der Klassengrößen – hier liegt die Zuständigkeit beim Freistaat Bayern.
Fazit: Ein Teil der vorgebrachten Kritik bezog sich auf die Bildungspolitik bzw. Bildungsinhalte im Allgemeinen. Hierauf hat die Stadt heute und in Zukunft jedoch kaum Einfluss. Anders verhält es sich mit der Ausstattung von Schulen und schulbegleitenden Angeboten. Hier könnte die Stadt bei einer Übertragung der Trägerschaft künftig andere Prioritäten setzen. In der angestrebten Zuständigkeit auch für die weiterführenden Schulen sieht die Stadt Neu-Ulm große Potenziale. Dass auch künftig die erforderlichen Mittel für den Bildungsbereich zur Verfügung stehen, konnte glaubhaft versichert werden.
Vertreter der Stadt: Ralph Seiffert, Mareike Kuch
Moderatorin: Manuela Kohlbacher
Das Interesse an diesem „Sammel“-Thementisch war beachtlich, die eingebrachten Hinweise thematisch recht breit gefächert. Insgesamt beteiligten sich rund 70 Teilnehmer an den sechs Gesprächsrunden. Im Vordergrund stand die Frage, ob der Stadt durch die Auskreisung Nachteile entstehen könnten, die sich letztlich auch auf den Bürger auswirken. Ebenfalls recht häufig ging es bei den Wortmeldungen um Auswirkungen auf das Personal – also die von der Umstrukturierung betroffenen Mitarbeiter.
Wiederholt genannte inhaltliche Aspekte waren:
- Die Frage nach den steigenden Ausgaben für die Stadt wurde analog zum Thementisch „Finanzielle Auswirkungen“ mit dem Hinweis auf den damit verbundenen Verbleib der Kreisumlage bei der Stadt beantwortet.
- Richtig ist ohne Zweifel der vielfach vorgebrachte Gedanke, dass mit der Übernahme von zusätzlichen (Kreis-) Aufgaben auch der Personalbedarf steigt. Die Stadt rechnet mit etwas mehr als 90 Stellen, die vom Kreis zur Stadt wechseln bzw. neu entstehen.
- Einige Fragen gingen in die Richtung, dass dafür zusätzliche Büroräume oder gar -gebäude benötigt würden. Aus Sicht der Stadt ist das jedoch ein handhabbares Problem, weil die Stadt derzeit Büroflächen an den Landkreis vermietet und auch über weitere Büroflächen verfügt.
- Eine wiederholt eingebrachte Forderung war, dass die Stadtteile durch die Kreisfreiheit nicht benachteiligt, sondern ggf. aufgewertet werden sollen. Der Spielraum dafür könnte durch mehr Eigenständigkeit wachsen.
- Mehrere Bürger wünschten mehr Hintergrundinformationen zu der Aussage, dass durch die Auskreisung finanziell insgesamt weder Vor- noch Nachteile entstünden („Schwarze Null“). Hier soll das aufklärende Zahlenmaterial nachgeliefert werden. Ein Teil der Antwort wird bereits in der Stellungnahme der Stadt zu den finanziellen Auswirkungen gegeben.
- Es wurde deutlich, dass die Übernahme kreislicher Aufgaben durch die Stadt bestenfalls für den Bürger unmerklich erfolgt – also dass für sämtliche denkbare Dienstleitungen auch weiterhin ein Ansprechpartner zur Verfügung steht. Wer dieser Ansprechpartner ist und wo er sitzt, ist dem Bürger letztlich egal. Sofern sich dadurch Wege verkürzen oder mehr Dienstleistungen an einem Ort angeboten werden, wird das begrüßt.
- Die kurzfristigen und langfristigen Effekte sollten besser kommuniziert werden.
- Die Frage, ob sich das Prozedere bezüglich der Schulsporthallen-Belegung ändert, wurde auch an anderen Thementischen gestellt. Hier lautet die Antwort, dass es nur von Vorteil sein kann, wenn künftig die Stadt für alle Schularten – und somit auch für die Vergabe von Hallenzeiten an Verein – zuständig ist.
- Der Hinweis, dass die im Stadtgebiet ansässigen Unternehmen von den Einpendlern aus dem Landkreis profitieren, ist fraglos richtig. Richtig ist aber auch die Feststellung, dass der Landkreis heute wie in Zukunft von der wirtschaftlichen Stärke der Stadt profitiert.
- Doppelstrukturen sollen möglichst abgeschafft werden, damit wird sowohl bürokratischer als auch personeller Aufwand reduziert.
- Bereits begonnene Projekte (Bauprojekte) werden wie geplant weitergeführt.
- Einige Teilnehmer konnten sich den Prozess der Auskreisung in seiner Komplexität nicht vorstellen und fragten nach Erfahrungen anderer Städte. Hier steht Neu-Ulm in Bayern jedoch allein, in anderen Bundesländern gelten dafür andere Regeln. Letztlich trifft jedoch auch hier der Hinweis, dass die Stadt bereits bis 1972 kreisfrei war (siehe „Finanzielle Auswirkungen“)
- Hoffnungen wurden bezüglich der künftigen Zusammenarbeit einer kreisfreien Stadt Neu-Ulm mit Ulm geäußert.
- Verwaltungsgebühren sollen sich nach allem was bislang bekannt ist nicht erhöhen.
- Vor und Nachteile sollten sauber ausgearbeitet werden (was in großem Umfang bereits geschehen ist, siehe Stellungnahme der Stadt)
- Zur Zukunft der Krankenhaus-Landschaft (Klinik-Stiftung) gab es einige Fragen, hier stehen ganz aktuell Entscheidungen an.
Fazit: Die strukturellen Veränderungen wurden – so weit zum jetzigen Zeitpunkt möglich – ausgiebig diskutiert. Hier geht es letztlich darum, wie der Aufgabenzuwachs durch die Stadt finanziell und personell gestemmt werden soll. Wieviel Zeit dieser Umstrukturierungsprozess letztlich in Anspruch nehmen wird, kann noch nicht abschließend beurteilt werden. Letztlich zielt er darauf ab, Aufgaben bei der Stadt zu bündeln, Doppelstrukturen zu minimieren und bürgernäher agieren zu können.
Vertreter der Stadt: Anton Bullinger
Moderator: Mario Friedrich
Das Interesse an diesem Thema war überschaubar. An insgesamt sechs Gesprächsrunden nahmen ca. 60 Teilnehmer teil. Die Gespräche waren sehr intensiv und im Kern von der Frage geprägt, welche Auswirkungen die Umstrukturierung auf Senioren haben könnte (es waren nur wenige Jugendliche unter den Teilnehmern). Dabei ging es um Themen wie Pflege, medizinische Versorgung, kulturelle und soziale Angebote, Generationentreff und die Teilnahme am gesellschaftlichen Leben.
Wiederholt genannte inhaltliche Aspekte waren:
- Mehreren Teilnehmern ist es wichtig, im Falle der Kreisfreiheit die Verbindung zu Ulm aufrechtzuerhalten und zu stärken. Diesen Wunsch hat auch die Stadt.
- Die Entscheidungen im „Sozialraum Stadt“ könnten zielgenauer und schneller getroffen werden, wenn die Stadt kreisfrei wäre.
- Nicht nur die Pflichtaufgaben, auch die freiwilligen Leistungen der Stadt könnten stärker an den Interessen der städtischen Bürger orientiert werden.
- Auch an diesem Thementisch bestand bei einigen Teilnehmern die Sorge, dass für die neuen Aufgaben das notwendige Personal fehlt. Hier konnte darauf verwiesen werden, dass das Personal vom Kreis zur Stadt wechselt, in jedem Fall aber das Leistungsangebot nicht geschmälert werden, im Gegenteil.
- Das Thema „Pflegenotstand“ wurde zwar wiederholt vorgebracht, es hat aber zunächst nicht mit der Auskreisung zu tun. Will heißen: Auch mit der Auskreisung besteht weiterhin die Herausforderung, geeignetes Personal für die Pflege zu finden. Dabei kann eine attraktive Stadt mit entsprechenden Familienangeboten etc. durchaus eine Rolle spielen.
- Der Wunsch, es sollten mehr Pflegeplätze unmittelbar in Neu-Ulm geschaffen werden, wurde mehrfach geäußert. Die Bürger wollen möglichst nah an ihrem bisherigen Umfeld bleiben, wenn sie in ein Pflegeheim müssen.
- Günstigere ÖPNV-Tickets wurden ebenso gewünscht wie Tagespflegeeinrichtungen
- So hilfreich Smartphones für das alltägliche Leben (auch im ÖPNV oder im sozialen Bereich) sein mögen, es gilt zu berücksichtigen, das gerade ältere Menschen hier wenig Zugang hätten und bei digital basierten Angeboten praktisch ausgeschlossen würden.
- Barrierefreiheit ist nicht überall gegeben, Sozialwohnungen sind zu teuer, brachten einzelne Teilnehmer ein (hier sind durch die Kreisfreiheit zumindest keine Verschlechterungen zu erwarten).
- Bei der Jugendarbeit könnte es mit der Kreisfreiheit zu einer besseren Vernetzung der Verantwortlichen kommen.
- Einzelne Teilnehmer wollen stärker berücksichtigt wissen: Fahrdienste für entlegene Stadtteile, Sitzbänke an Bushaltestellen, mehr politische Bildung für Jugendliche.
- Eine Anregung: Vertreter der Stadt könnten ihre Aufgaben und ihre Arbeit vor Schulklassen erklären.
- Gewünscht wird auch ein seniorenpolitisches Gesamtkonzept, dass die ggf. wachsende Handlungsfreiheit der Stadt berücksichtigt.
- Beschwerden gab es dahingehend, dass einige Spielplätze offenbar von Jugendlichen genutzt werden – das führt zu Lärmbelästigungen.
- Daraus resultierte auch der Vorschlag, mehr Angebote für Jugendliche zu schaffen (Basketballplätze).
- Bemängelt wurde zudem, dass es im Stadtinneren zu wenig öffentliche Toiletten gibt und diese bisweilen verschmutzt sind.
Fazit: Die meisten Teilnehmer konnten vor den Bürgergesprächen nicht einschätzen, ob eine Kreisfreiheit tatsächlich zu spürbaren Veränderungen für sie persönlich führt. Viele Befürchtungen konnten abgebaut werden, so dass nach den Gesprächen der Tenor herrschte: Wenn es wirklich Vorteile bringt, ist gegen die Kreisfreiheit nichts einzuwenden. Dabei ging der Blick ausdrücklich auch auf die jüngere Generation, die allerdings nur vereinzelt vertreten war. Es wurde deutlich, dass die Stadt in der Jugendarbeit andere Probleme hat als der Landkreis (z.B. Drogenprävention, Streetworker) und diese auch stärker wahrnehmen will. Dasselbe gilt für die Seniorenarbeit – hier könnten Angebote und Beratungsleistungen besser koordiniert und stärker auf die Interessen einer städtischen Bürgerschaft abgestimmt werden. Wie an anderen Thementischen auch stehen einige der genannten Aspekte unabhängig von einer möglichen Kreisfreiheit zur Diskussion.
Vertreterin der Stadt: Tanja Kast
Moderator: Dr. Michael Kossakowski
Im Themenfeld „Soziales“ gab es viele Schnittmengen mit dem Themenfeld „Jugend und Senioren“. Insgesamt beteiligten sich 70 Bürgerinnen und Bürger an den 6 Gesprächsrunden. Es ging unter anderem um Schulsozialarbeit, Drogenprävention, das Hospiz, aber auch Sporthallenbelegung, Vereinsarbeit und den Umgang mit Flüchtlingen.
Wiederholt genannte inhaltliche Aspekte waren:
- Auch hier stand die Frage nach dem „Warum“ im Vordergrund. Sie wurde mit dem Verweis auf mehr Entscheidungsfreiheit und die bessere Koordinierung sozialer Belange beantwortet. Dabei wurde auch deutlich, dass die Stadt schon heute freiwillig Aufgaben übernimmt, die eigentlich beim Landkreis liegen.
- Beim Umgang mit Flüchtlingen wurde betont, dass es besser sei, wenn die Stadt jene Neu-Bürger von Beginn an kenne, die ihr zugeteilt werden. Auch die Integration sei unter städtischer Regie besser möglich, wenn Herkunft, Familienstrukturen, Unterbringungs- und Betreuungsbedarf bekannt seien.
- Gleichwohl wurde Solidarität mit dem Landkreis gefordert. Es dürfe nicht zu Versorgungslücken kommen.
- Die Sorge, dass Kliniken aus dem bestehenden Verbund herausgelöst werden, konnte genommen werden.
- Offenbar liegen einige Stadtteilprojekte in der Schublade und könnten bei Kreisfreiheit besser umgesetzt werden.
- Es wurde die Befürchtung geäußert, dass bei einer weiteren Stärkung Neu-Ulms gegenüber dem ländlichen Umfeld das Wohnen in der Stadt teurer werden könnte. Dafür gibt es jedoch keine Anhaltspunkte, die es nicht auch schon als kreisangehörige Stadt gegeben hätte.
- Vereine, die bislang vom Kreis Förderung erhalten, würden künftig durch die Stadt gefördert.
- Mehrfach wurde der Wunsch geäußert, die Bürger bei wichtigen Entscheidungen einzubeziehen, bürgerschaftliches Engagement zu befördern und mehr direkte Kontakte zur Stadtverwaltung zu ermöglichen. Vorgeschlagen wurden beispielsweise Whatsapp-Gruppen zu den Stadtteilen, aber auch zu Themenbereichen wie „Vereine/Ehrenamt“, „Stadtentwicklung“ oder „Soziales“.
- Darüber hinaus wurde der Wunsch eingebracht, mehr Gelegenheiten (Räume) für ungezwungenes Zusammensein von Bürgern zu schaffen (analog zum Generationentreff).
- Es soll verhindert werden, dass durch die Auskreisung Doppelstrukturen und zusätzlicher Personalbedarf entstehen. Das ist aber auch nicht beabsichtigt.
- Beim Hospiz bliebe die Zusammenarbeit mit Ulm erhalten.
Fazit: In sozialen Belangen übernimmt die Stadt heute schon Aufgaben, die eigentlich beim Landkreis liegen, dort aber nur ungenügend wahrgenommen werden. Da im sozialen Bereich die Herausforderungen in der Stadt zum Teil andere sind als im Landkreis, hat die Stadt hier ein besonderes Interesse, die Aufgaben selbst zu übernehmen.
Vertreter der Stadt: Winfried Bublat
Moderator: Michael Kalinka